Duo Charlotte Hug – Lucas Niggli [20200401]

Charlotte Hug – viola, voice
Lucas Niggli –  drums, percussion

Die beiden Kosmopoliten zeigen keine Scheu, jede erdenkliche Klangwelt mittels ihrer Instrumente zu kreieren.

Die Bratschen- und Stimmvirtuosin Charlotte Hug vermischt ihre Stimme mit Bratschenklängen auf eine einzigartige Art und Weise, so dass eine hybridhafte «Stimme» mit einem enormen Expressionsspektrum entsteht.

Ebenso ist Lucas Niggli ein Meister der Klangfarben auf dem Schlagzeug und ist so einer der versatilsten und gleichzeitig eigenständigsten Drummer Europas.

Ihre Imagination und ihre Kommunikationsfähigkeiten sind der Schlüssel zu einer freien, und sehr präzisen Improvisations-Musik, die keine dogmatischen Grenzen kennt. Es entsteht eine virtuose, direkte und doch opulent klingende Duo-Musik mit den beiden archaischsten Instrumenten der Musik: die Stimme und die Trommel. Eine vielseitige, höchst agile Performance, die direkt auf und unter die Haut geht.

Hug und Niggli gehen auf ähnliche Weise archaisch mit ihren Klangerzeugern um – und kommen dabei aus ganz unterschiedlichen Richtungen: Hug ist klassisch ausgebildete Bratschistin und bildende Künstlerin. Zugleich ist sie Komponistin, Performerin, Stimmkünstlerin. Die unterschiedlichen Disziplinen integriert sie zu einer eigenen, intermedialen Kunstform. Niggli, einer der vielseitigsten Schlagzeuger seiner Generation, bewegt sich hauptsächlich auf dem Feld des freien Jazz und der Improvisation. Was  beide Musiker verbindet, ist die Faszination für die Freiheit in der Musik. Auf diesem Boden ist auch ihre CD „Fulguratio“ entstanden. In seiner Gegensätzlichkeit erkundet das Duo improvisatorisch und mit einem großen kompositorischen Bewusstsein im Sinne des „Instant Composing“ das Potenzial seiner großen Spannweite: Wie nah und wie fern kann man einander sein und noch gemeinsam kommunizieren und sogar Funken schlagen? Hug und Niggli lassen die klanglichen und energetischen Extreme ihrer „Instrumente“ – das Zerbrechliche und das Brachiale – gezielt kollidieren, sodass sie sich wie in Blitzen entladen. Das Donnergrollen, das diese nach sich ziehen, entfaltet sein Eigenleben. So sind Varianten dieser Entladung – „Fulguratio: Wetterleuchten“ „Obliqua Fulmina: Quer einschlagende Blitze“ – und andere meteorologische Phänomene – „Virga: Sprühregen“ „Lacunosus: lückenhafte Wolkendecke“ – zu Metaphern ihrer immateriellen und zugleich körperlichen Musik geworden. Ebenso gezielt lässt das Duo die extremen klanglichen Gegensätze einander nahe kommen, sich berühren, sich reiben und miteinander verschmelzen – bis an den Punkt, an dem Percussion und Stimme kaum mehr als solche zu erkennen sind und eher als hybrider „Drittklang“ wahrgenommen werden. In diese hybride Klangwelt integriert Charlotte Hug auch die Bratsche. Die vermeintliche Kluft zwischen archaischer Urkraft von Stimme und Trommel und dem kultivierten musikalischen Kunstobjekt, das eine Bratsche herkömmlicherweise verkörpert, bringt das Duo mit seinem wandelbaren Spiel fast gänzlich zum Verschwinden: Stimme und Trommeln werden ebenso percussiv wie melodiös eingesetzt. Und wo Hug die ursprünglichsten, körperlichsten Laute aus der Bratsche holt, tritt jeder exklusive Kunstcharakter von selbst in den Hintergrund. Denn auch das bedeutet für das Duo Freiheit: mit archaischer Kraft und stilistischer Flexibilität spontan und sensibel durch das ganze Klangspektrum zwischen klanglichen Extremen und Hybriden zu navigieren. (Linernotes zur CD Fulguratio von Barbara Eckle)